Laafi macht Fehler

Heute hatten wir ein Email mit einer interessanten Frage in der Box:

Verfügen Sie über Informationen, welche Projekte darstellen, die nicht so umgesetzt werden konnten, wie es sich die Organisation im Sinne von Nachhaltigkeit vielleicht vorgestellt hätte, bzw. einfach nicht oder nur zum Teil „erfolgreich“ waren („gescheiterte Projekte“?).

Jeder, der in Afrika Projekte macht, kann ein Lied davon singen: Irgend etwas geht schief und man fragt sich, wie viel Wahrheit man den Spendern im fernen Europa wohl zumuten kann. Die Prospekte und Websites der diversen Vereine sind voll von Erfolgsgeschichten, doch dass Projekte auch mal scheitern steht nirgendwo. Unsere Lernkurve war steil, und besonders in der Anfangszeit haben wir viele Fehler gemacht. Manche davon wären vermeidbar gewesen, hätten wir von Fehlern anderer lernen können.

Hier fünf Beispiele von zumindest teil- oder zeitweise gescheiterten Projekten, die uns auf diese Frage eingefallen sind:

1. Irgendwann etwa 1996 trat im Umfeld eines Projektstandorts eine Gruppe von Grundschullehrerinnen an uns heran, die einen Verein zur Aufklärung gegen die Beschneidung von Mädchen gegründet hatten. Für ihre Informationskampagne in der Region baten sie um einen kleinen Zuschuss für Druckkosten und dergleichen. Als wir im Jahr darauf das Projekt evaluierten, lebte keine der Lehrerinnen mehr in ihrem jeweiligen Dorf – alle waren in die Hauptstadt gezogen. Per Buschfunk erfuhren wir, dass sie aufgrund des heiklen Themas weggemobbt worden waren. Wir lernten daraus, heikle Aufklärungsprojekte nur noch entweder von außerhalb der Region (wie in der Folge beim Projekt „Marionettentheater“) oder im Rahmen staatlicher Institutionen (Projekt „CineMobile“) operierend zu installieren.

2. Ein aktuelles Beispiel ist die Belegung des Aidshauses. Dieses soll 20 obdachlosen oder aus entfernten Dörfern stammenden Aidspatienten ermöglichen, die ersten Wochen der staatlich finanzierten Aidstherapie zu überleben. Die Patienten bekommen einen Schlafplatz und drei Mahlzeiten pro Tag. Wir haben die Aufenthaltsdauer im Vertrag mit dem Trägerverein auf zwei Monate begrenzt. Es stellte sich jedoch heraus, dass es Patienten gibt, die nach diesen zwei Monaten weder von ihren Familien aufgenommen werden noch in der Lage sind, selbst für sich zu sorgen. Das führte dazu, dass die Zahl der immer wieder frei werdenden Plätze zunehmend sank, zuletzt auf 14. Dieses Problem – das wir nicht durch harte Maßnahmen à la Rausschmiss lösen wollten – wird gerade in zwei Folgeprojekten angegangen. Eines davon sieht eine Berufsausbildung für Patienten vor, in einem zweiten besuchen Sozialarbeiter mit den Patienten deren Dörfer, um die Familien aufzuklären und eine Wiederaufnahme zu erreichen. Bei diesen Projekten ist Laafi nur noch mit einer sehr kleinen Summe beteiligt, der Löwenanteil wird von einer UNO-Vorfeldorganisation finanziert (die das Modell Aidshaus replizieren möchte).

3. Es gibt in der Laafi-Projekthistorie einen Standort (die ländliche Krankenstation im Dorf Sane), der nach vielen Jahren des guten Funktionierens zeitweise komplett scheiterte. Die Behandlungsfrequenz sank, ein neu zugeteilter staatlicher Mitarbeiter war unkooperativ und hatte ein Alkoholproblem, und dem Dorf gelang es nicht, eine aus der Pharmacie-Kassa entwendete Summe zur Gänze wieder aufzutreiben. Neben der kompletten Einstellung unserer Projektfinanzierung zogen wir auch alle von uns finanzierten beweglichen Dinge (zb. eine Motorradambulanz) ab und stellten sie einem anderen Standort zur Verfügung. Dennoch haben wir die Struktur über einige Jahre weiter kontrolliert und besucht, und mit In-Aussicht-Stellung einer Wiederaufnahme mittlerweile eine Besserung erreicht. Die Frequenz liegt jetzt bereits etwa auf dem Niveau von zuvor, und auch alle anderen Indikatoren haben sich gebessert, so dass wir die Finanzierung wenn der Trend anhält im Laufe dieses Jahres wieder aufnehmen.

4. Ein besonders krasses Beispiel sind zwei Anästhesiemaschinen, die wir von einem österreichischen Krankenhaus gespendet bekamen. Wir haben für diese in Burkina Faso über bestehende Kontakte zwei Krankenhäuser mit entsprechendem Bedarf identifiziert. Bei einer Kontrolle einige Monate nach der Ãœbergabe stellten wir jedoch fest, dass eine Maschine irgendwo verstaubte und die zweite in der privaten Ordination eines Arztes in Betrieb war. Es kostete uns sehr viel Mühe und Zeit (und Drohungen mit einer Anzeige bei der Polizei), beide Maschinen wieder in unseren Besitz zu bekommen und neue, bessere Standorte zu finden. Unser Learning aus der Sache: Kein Projekt mehr nach dem Muster „Sachspende sucht Bedarf“, nur noch umgekehrt.

5. Dann war da ein Brunnenbauprojekt, für das unser Projektpartner Angebote einholte. Bestbieter war die Pioniorkompagnie des Militärs. Beim Bau des Brunnens passierte ein Konstruktionsfehler, so dass kein Wasser floss. Obwohl der Vertrag bis zu zwei Bohrungen bis zum Fließen von Wasser vorsah, dauerte es fünf Jahre und kostete viel Zeit, Klagsdrohungen (was angesichts des „Gegners“ Militär besonders heikel war) und über tausend Euro weiteren Baukostenzuschusses, um einen neuen Brunnen zu bekommen. Seit 2009 fließt nun Wasser.

Wir haben in der Geschichte von Laafi unsere Kontrollmethoden kontinuierlich verbessert und striktere Projektgrundsätze wie das Prinzip der Kofinanzierung (kein Projekt wird zu 100% ausfinanziert) eingeführt. Dadurch stieg auch die Qualität unserer Projekte. In den Anfangsjahren ab 1994 war die Fehlerquote sicher um vieles höher. Heute haben in Burkina Faso einen Ruf als besonders penibel-mühsame Partner. (Darauf sind wir ein bisschen stolz.)

Es kann und wird jedoch auch in Zukunft immer wieder zu unzufriedenstellenden Ergebnissen oder unzuverlässigen Projektpartnern kommen. Das lässt sich nicht vermeiden, in Europa so wenig wie in Afrika. Wichtig ist, dass wir Probleme sofort bemerken und Konsequenzen ziehen. Anders formuliert: Fehler machen ist in Ordnung, daraus nicht zu lernen nicht.

6 Gedanken zu „Laafi macht Fehler

  1. Aus der Liste von Dingen die du schon weisst, aber die dennoch gut sind wenn sie nochmal wer anderer sagt:

    Ihr habt bei Laafi imho die seltene Chance durch sehr starke Transparenz für Laafi Image und Aufmerksamkeit zu bekommen.

    Ziel sollte es sein das jeder Euro ein Ziel hat und jeder Mensch (zb auf einem Photo) einen Namen.

    Das Overheads kosten verursachen ist klar. Das nicht jeder Euro optimal verwendet wird ist (auch uns Österreichern) klar.

    Ich persönlich glaube dass meine grösste Hemmschwelle bei Spenden die Unklarheit über das Ziel des Geldes ist. Daher „spende“ ich auch lieber an einen Augustin (Obdachlosen Zeitung in Wien Anm.) als an Greenpeace.

    Diese Unklarheit zeigt sich bis hin zu den Werbesujets. Schwarzes Kind, am besten verhungert oder grosse Augen, ein Flüchtingscamp mitten in der zivilisationsfreien afrikanischen Wüste und die Illusion dass mein Geld jetzt diesem einen Kind zu gute kommt.

    Namen, Hintergrund, Wer macht vor Ort etwas. Es geht nicht darum das jeder Euro Berge versetzt. Es geht darum dass man sieht dass die Richtigen Leute ihre Möglichkeiten bekommen und dass das Geld arbeiten kann.

    Mir persönlich würde es nicht um die Begeisterung dass es MEIN GELD ist dass hier hilft gehen. Mir würde es nur um die reale Vertrauensbasis gehen.

    hth
    Andreas

  2. @Andreas: Ja, da hast du sicher recht – Transparenz ist hier (noch?) ein echtes Alleinstellungsmerkmal. Allerdings bedeutet Transparenz auch sehr viel Zeitaufwand, und Zeit fehlt meist.

    Ziel sollte es sein das jeder Euro ein Ziel hat und jeder Mensch (zb auf einem Photo) einen Namen.

    Das hat Für und Wider. Das läuft möglicherweise auf Zweckbindung hinaus, und Zweckbindung führt unweigerlich zu einem Ãœberhang „glamouröser“ Projekte. Niemand finanziert gerne den Reparaturfond eines Mopeds oder die Erneuerung von Batterien einer Solaranlage oder Reparatur eines von Termiten zerfressenen Daches. (Zumindest nicht ohne ausführliche Erklärung, die in Zeiten der Aufmerksamkeitsökonomie schwer durchzukriegen ist.)

    Es gibt bei Laafi zb. bewusst keine Patenschaften, also Unterstützung von einzelnen Personen mit Namen und Foto. Denn erstens läuft das unserem Projektprinzip „Keine Individualförderung“ zuwider und zweitens versetzt das automatisch immer jemanden vor Ort in eine ungemeine Machtposition – denjenigen, der über die Vergabe von Patenschaften/Stipendien entscheidet. Und Macht korrumpiert leider leicht.

    Fürs Fundraising aber (auch im Sinne gefühlter Transparenz) wäre es viel viel besser, solche Gesichter und Namen in Form von Patenschaften präsentieren zu können. Das überlassen wir jedoch lieber anderen. Wir jedoch müssen uns leider meist darauf beschränken, um Vertrauen zu werben, dass unsere Projektentscheidungen in der hohen Mehrzahl der Fälle gut sind.

    A propos Overheads: Die Overheadkosten des Vereins selbst (Verwaltung, Reisekosten, etc.) tragen wir persönlich, da kommt nichts aus Spendentöpfen. Die fließen zur Gänze in die Projekte. (Zugegenermaßen ein nicht skalierbares Setup, dh. wir können uns das nur leisten, weil wir so klein sind.)

  3. Mut öffentlich zu den eigenen Fehlern zu stehen finde ich toll! Macht Laafi noch sympathischer.

  4. Geschätztes Laafi Team!

    Wir sind beeindruckt. Nicht nur von Ihrer Arbeit sondern von der Offenheit, mit der Sie vergangene Fehler online stellen.

    Jede/Jeder in der NPO Szene weiß: Fehler passieren. Nur in unserer erfolgsmanischen Welt glauben viele, dass wir diese Fehler nicht offen diskutieren dürfen. Sondern sie nur in der Kaffeeküche besprechen und dann hinter Hochglanzbroschüren verschwinden lassen.

    Sie beweisen, dass es anders geht. Sie stellen Ihre Fehler und damit Ihre Lernerfahrungen offen zur Verfügung. Und sind damit ein Beispiel für viele, weit größere Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit. Respekt!

    Umso mehr wissen wir, dass unsere Firmenspende sehr gut bei Ihnen aufgehoben ist. 111 unserer KundInnen haben in einer weihnachtlichen Abstimmung für Ihr Projekt gevotet.

    Weiterhin Mut, Zuversicht und langen Athem für Ihre Arbeit!

    Herzliche Grüße

    Martin Gössler

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